- Trip Hop ist


Ein genialer Wurf. Und das mitten aus dem Ruhrpott, aus der wohl langweiligsten Stadt des Universums: Essen. Genlog, die früher mit Rave-Hymnen das Ecstasy-Feeling unterstützten, haben zur rechten Zeit die Joints gezückt und sich's mit Massive Attack im Studio kommod gemacht. Das war so vor zwei Jahren.
Mittlerweile haben die kahlen Kerle zwei zuckersüße Kinder bekommen und ihr Herz an Trommeln und Bässe und unkonventionelle Soundcollagen verloren. Und ich meins an das "Rosa Lauschen".

Ihr Studio liegt irgendwo in der Essener Gemütlichkeit von 50er Jahre Bauten und grünen Recyclingtonnen am Straßenrand. Ein Barockrahmen an der Wand, in dem sich ein Poster von King Kong spiegelt, Hagebuttentee in der Kanne und die gute Roland vor holzgetäfelter Wand läßt auf Einiges schließen, bloß nicht auf eines der besten Techno-Alben des Jahres...(siehe Plattenkritik). Genlog schießen an der Beliebigkeit deutscher Techno-Produktionen mit einer Lässigkeit vorbei, einer Ungezwungenheit, die man anderen Künstlern der Branche nur zu gern an den Hals wünschen möchte.

Wie kam der musikalische Umschwung?
Claus: "Olli hat irgendwann mal Massive Attack angeschleppt. Und die haben wir hier gehört und waren beide sehr verzückt und haben uns gedacht, daß wir so etwas auch machen wollen. Und dann haben wir uns hingesetzt und es einfach ausprobiert, und das hat so toll geklappt, hat superviel Spaß gemacht, so daß wir gedacht haben: 'Hey, laß uns so weitermachen.' Und die Plattenfirma hat natürlich nicht schlecht gestaunt, als sie zum erstenmal die Sachen gehört hat."
Olli: "Es lag uns einfach. Wir sind auch älter geworden, wir sind beide Vater geworden, und naja...."
Wie unterscheidet sich das aktuelle Album von seinem Vorgänger?
Claus: "Es ist ein völlig neues Arbeiten geworden. Wir mußten umdenken, die Struktur eines Songs ist ja nicht mehr so, wie es im Techno üblich ist. Für den Produzenten, bzw. als Band ist es eine Herausforderung, auch mal mit Gesang zu arbeiten, man muß sich halt mit anderen Sachen beschäftigen. Es ist eine Herausforderung, andere Sounds, die eigentlich keine Sounds sind, also Geräusche, so zu verarbeiten, daß es stimmig wird. Es ist eigentlich mehr ein Film, den man fährt."
Ist es komplexer geworden im Vergleich zu vorher?
Claus: "Es macht mehr Arbeit, ein Trip-Hop-Stück zu produzieren als ein Standard-Techno-Stück. Ein Techno-Stück ist sehr schnell gemacht, weil der Songablauf stets der gleiche ist."
Olli: "Bei Trip-Hop kann man machen, was man will. Man kann alle drei Takte etwas ändern, oder wenn man einen neuen Sound hat, dann nimmt man den einfach rein. Bei Techno muß man einen gewissen Standard einhalten. Es ist eine Musik, in der man alles machen kann."

alles machen
Und da würde mir so einiges einfallen...o lala! Obwohl es Trip-Hop-Einflüsse schon seit Jahren gibt, obwohl neue Strömungen, ob nun unter dem Label "Big Beat" oder "Freestyle-Movement", auch den deutschen Markt langsam beleben, erleben Genlog bei ihren Live-Auftritten oft die Gehemmtheit der Leute. Zögernd lernen die Techno-Kids, daß man sich auch zu 80 bpm zackig bewegen kann, und daß ein guter Rave durchaus auch mit anspruchsvoller Musik zu feiern ist.

Olli: "Es ist noch nicht der Zeitpunkt in Deutschland für unsere Musik. In England sind solche Projekte wie wir oder die Prodigy schon normal; in Deutschland haben wir zur Zeit noch den "Abgefahrenen"-Status. Die Deutschen werden immer ein Volk sein, die auf bum-bum-bum stehen, die brauchen diesen Takt, um tanzen zu können."

Meint ihr, es ist die deutsche Konservativität, daß man bei einer Sache bleibt, die man mag?
Claus: "Der englische Markt ist einfach anders strukturiert: die Plattenfirma diktiert. So kann es sein, daß Oasis Öffnungszeiten in der Nacht kriegen. Das wäre in Deutschland undenkbar. Das Chartsystem in England funktioniert ganz anders: da werden die Platten in den Laden gestellt, die Plattenfirma kauft den ganzen Scheiß auf, und schon ist man von Null auf eins. Und anschließend liegen die Kisten im Lager und werden nach und nach wieder verkauft."
Claus
: "Wenn man diese Macht im Hintergrund hat, dann springen die Medien mit auf den Zug. Und dann bist Du innerhalb von zwei, drei Wochen der neue Star. Und deshalb können so Bands wie Prodigy innerhalb von kürzester Zeit so populär werden.
Und Deutschland schaut überall anders hin, nur nicht ins eigene Land. Die eigenen Leute werden dann wieder vergessen, die sind ja nicht so interessant wie die, die von der Presse bombadiert werden."
Olli: "Am Anfang unserer Trip-Hop-Zeit haben mir oft Leute gesagt, daß wir uns englisch anhören würden. Damals war ich noch stolz darauf und dachte:' Klasse, ich klinge englisch.' Aber mittlerweile will ich mich gar nicht mehr englisch anhören, denn ich bin Deutscher. Ich will, daß meine Sachen sich deutsch anhören. Und das müssen die Leute erstmal in den Kopf reinkriegen."


Ihr habt ja die Entwicklung, die Techno in Deutschland genommen hat, mitgekriegt. Ich finde, im Vergleich zu den Anfängen, hat Techno viel von seinem Charme verloren - ich finde es zwar gut, daß Techno so eine Breitenwirkung genommen hat wie damals vielleicht Rock'n'Roll, aber es hat viel von seinem Charme verloren. Seht ihr das auch so?
Olli: "Das ist glaube ich, bei allen Sachen so: wenn eine Sache einer breiteren Masse zugeführt wird, verliert es irgendwann den Charme für die Leute, die von Anfang an dabeigewesen sind."
Claus: "Es ist halt immer der Standpunkt: wenn man von Anfang an mit dieser Szene groß geworden ist, kommt man immer in die Gefahr zu sagen: 'Früher war alles besser.' Die Leute, die gerade dazugestoßen sind, die also gerade Techno kennengelernt haben, durch die Kommerzialisierung, für die ist es natürlich toller, so'ne große Partie zu erleben, wo 30 000 Leute wild durch die Gegend springen und Spaß haben. Für mich kann ich jetzt sagen, daß die Parties früher intensiver waren, man hat sich mehr mit der ganzen Musik identifiziert, es war halt ein größerer Zusammenhalt da. Es war eine kleine Szene, die war überschaubar, nach einer Zeit kannte man die Leute, die feiern gegangen sind, man kannte die Produzenten und DJ's, und das ist heute einfach nicht mehr machbar."
Ich denke, der Trend geht im Moment sowieso zurück zur "Band", statt zu einem anonymen, einsamen DJ oder Producer, der auf der Bühne steht. Underworld, Prodigy, Mouse On Mars, Primal Scream sind doch die besten Beispiele. Sehr ihr das auch so, daß es eine Übersättigung der Leute gibt, übersättigt von zuvielen DJ's?
Claus: "Es sind halt mehr Leute geworden, dadurch daß die Technik so simpel ist. Jeder, der einen PC hat, sich ein paar Klanginstrumente und einen Sampler zulegen kann, ist heute in der Lage, Techno-Musik zu produzieren und zu verkaufen."
Es ist ja nicht automatisch so, daß Du tollere Musik hast, je besser deine Software ist...Es sind ja immer noch Menschen, die dahinter sitzen. Und wenn Du nicht musikalisch bist...
Claus: "Ich denke, die Vielschichtigkeit, und das gerade zeichnet Techno aus, daß jeder versuchen kann und in der Lage ist, seinen Weg zu gehen. Ob sich dann halt Bands herauskristallisieren und an die Spitze geraten, das ist eine andere Sache. Am Anfang war es ja das Ziel des Techno, daß man dem Kommerz den Rücken kehrt. Und in die kleinen Clubs geht, und was dann daraus geworden ist, sieht man ja. Es gab halt Labels, die gesehen haben, daß es da einen Markt gibt und dementsprechend wird die Musik dann auch produziert und verkauft."

Was für eine Rolle spielt der Computer in eurem Leben?
Olli: "Der Computer ist ein Hilfsmittel, der ist da, um meine Musik umsetzen zu können. Wir sind eigentlich gar keine Computerfreaks, wir haben einen PC, darauf können wir tippen, auf unserem Atari und Mac können wir Musik machen. Ansonsten gehöre ich nicht zu der Generation Kids, die sich super mit Computern auskennt."
Was bedeutet Technik für euch im normalen Leben?
Tamagnocci
Olli: "Ich ein großer Freund davon. Sieh doch nur mal die Spiele, die heutzutage auf dem Markt sind. Ich kann mich noch daran erinnern, daß es Zeiten gab mit zwei Strichen rechts und links und einem Punkt, der dazwischen hin- und herhüpfte. Und heute? Sony und Playstations, finde ich super. Ich habe eine kleine Tochter, wenn die erst mal fünfzehn ist und Spiele hat, dann zieht man sich nur noch eine Brille über den Kopf und fertig. Und da freue ich mich drauf!!"
Für Dich ist es keine Bedrohung, Du siehst das eher spielerisch...
Olli: "Ja. Auf jeden Fall."
Claus: Ich denke da nur an dieses komische Ei, das Tamagotchi. So was finde ich absolut dämlich. Wenn ich damit versuche, mein Kind zu erziehen, damit es Verantwortung kriegt, dann habe ich in meinem Dasein als Vater was falsch gemacht."

nikki