Whirlpool Productionstextgrafik


Neu! Mit Sounds!


Da gibt es drei Männer.
Einen sehr dünnen, mit sehr langen Haaren und zu hellen Augen. Etwas zu fahrige Gliedmaßen.
Einen dünnen mit feinen Gesichtszügen und nervösem Blick und zitternden Händen. Der schreibt sehr oft sehr kluge Sachen in einer ganz intellektuellen Zeitschrift.
Und der dritte ist dunkler Hautfarbe
  und hat gerne dunkle Sonnenbrillen auf, um galanter zu wirken in seinen feinen schwarzen Anzügen. Der kann auch singen.
Diese drei haben sich in Köln zusammengetan, um die Musik, die sie in Clubs auflegen, auch selbst zu machen. Nur vielleicht besser. Diese drei nennen sich nach einer in gewissen Etablissements beliebten Badeform und benennen ihr aktuelles Album "???".



textgrafikDie sehr hellen Augen verlassen zu Beginn unseres Gespräches den Raum, die Sonnenbrille lächelt elegant und die nervösen Finger fummeln an einer Zigarette. Eric D. Clark und Hans Nieswandt sind bereit, wenn ich es bin. Während Hans noch zu überlegen scheint, ob man das krümelige grüne Zeug, das seine zitternden Finger bedeckt, in den Filter streut, bevor oder nachdem man es mit Tabak bedeckt hat, falle ich mitten in die knisternde Stille:

Auf Eurer neuen LP verwendet ihr natürliche Geräusche. Wollt ihr damit ein Stück Realität einfangen oder ist für Euch die Welt nur ein Soundpool?
Clark: "Die Sachen, die wir verwendet haben, haben uns beeinflußt, während wir in Jamaica waren [Das neue Album wurde dort aufgenommen, Anm. d. Red.] waren. Wir hatten wirklich eine Party und wir nahmen sie auf, und wir benutzten Teile des Tapes als Hintergrund für unseren Song "Heights Smoke Signals". Es war, als würde man einen Film machen. Du nimmst einfach alles auf, was Du siehst. Die Sounds der Party sind wie eine Postkarte für uns, wenn wir uns das anhören, denken wir an bestimmte Dinge zurück.Wir haben das Tape angeschaltet und es drei Stunden lang einfach vergessen. Und dann haben wir uns das wieder angehört und gestaunt: 'Hey, brillianter Stoff, eigentlich!'"
Nieswandt: "Die andere Herangehensweise an die Verwendung von natürlichen Geräuschen ist - wie wir sie in anderen Stücken verwenden -, daß Du ein Stück Natur aufnimmst, und es wiederholst, und dadurch entsteht plötzlich ein rythmisches Muster aus dem eigentlichen Zufallsprodukt 'Naturgeräusch'. Aus Zufall wird Rythmus."

animation Also macht ihr den Zufall zum Mitproduzenten Eurer Platten?
Nieswandt: "Wenn wir zum Beispiel Stücke aufnehmen, lassen wir das Ende offen, so daß es ausfranst..."
Clark: "...auseinanderfällt..."
Nieswandt: "...weil es ja mit dem Anfang eines neuen Stücks kombiniert werden wird."
Clark: "Eigentlich ist es mit den Anfängen unserer Stücke genauso. Auf der neuen Platte kannst Du manchmal nicht ausmachen, wann ein neues Stück anfängt. Und das finde ich sehr wichtig. So steht die Musik quasi im Raum, als wäre sie schon immer dagewesen. Es ist eine bestimmte Atmosphäre, in der Du nicht weißt, warum Du hier bist, und wie Du da eigentlich hingekommen bist..."

Seine Sonnenbrille bewegt sich. Oder waren es seine Augen? Sein silberner Fingernagel glitzert, während Hans weiter an der Zigarette werkelt.
Falls seine Hände jemals aufhören sollten zu zittern, könnte es durchaus in ferner Zukunft einen Joint ergeben.
Die Atmosphäre Ihrer neuen Platte hat, im Gegensatz zu ihren zum Teil abstrakt konstruierten Vorgängern "Brian De Palma" und "Dense Music", eine gewisse Leichtigkeit, die man nur dann voll genießen kann, wenn man sich freimacht vom altmodisch postmodernen Gehabe, die Fragmente und Geräuschbruchstücke ihrer Musik benennen zu wollen.

Whirlpool zitieren nicht mehr und nicht weniger als andere Elektronik-Acts. Und es sei jedem freigestellt, ihre spezielle Art nun als intellektuell oder mittelmäßig zu bezeichnen.
Tatsächlich erfinden sie elektronische Musik nicht neu. Sie präsentieren weder noch nie Gehörtes noch schwingen sie sich zum klassischen Pop-Olymp auf, obwohl manche Stücke durchaus an feine Popsongs im positiven Sinne erinnern. Sie liegen irgendwo dazwischen.

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Ihre Musik erinnert an Bekanntes, doch je konkreter man Verweise einordnen möchte, um so gewandter entgleiten sie. Das spricht von einem gewissen Feinsinn, nennen wir es ruhig Intellekt, der bei der Vollendung vieler Stücke eine große Rolle gespielt zu haben scheint. Ihre Musik wirkt, und da kann mir "???" noch so groovige House-Rythmen unterjubeln, immer ein wenig zu geistig und zu wenig körperlich. Verlieren kann man sich in dem Strom aus Geräuschen, Zirpen, Beats, Dub und undefinierbaren Strukturen. Träumen und nicht tanzen.

Clark: "Unsere Musik ist wie ein Fluß. So kannst Du die Musik immer wieder neu entdecken und dich in ihr verlieren - Du weißt nicht mehr, ob es Song drei oder sieben ist. Es gibt lange Passagen, die zum einschlafen einladen, andere rütteln Dich auf. Ich mag es, wenn eine Platte diesen Effekt hat. Und noch einmal: es ist wie ein Film. Mit der ganzen Technik, die uns heute zur Verfügung steht, müssen wir Raum lassen für die Vorstellungskraft. Es muß nicht nach der Formel gehen: Stück eins, zwei und drei und so weiter. Das sind alte Formeln, die kennen wir schon."

Wirkten Whirlpool Prod. Bei "Dense Music" noch eher wie Tüftler im Studio, die ausschließlich Spaß verbreiten wollten, so hat sich das Bild gewandelt. Der ernsthafte Musiker scheint dem Kind Stubenarrest gegeben zu haben. Aber ihre Kunst besteht darin, beides zu vereinbaren: sich als Musiker ernst zu nehmen und trotzdem Raum zu lassen für Improvisation.

Nieswandt: "Wenn wir zum Beispiel im Studio ein Gitarren- oder Keybordpart haben, versuchen wir natürlich, es genauso hinzukriegen, wie man es sich im Kopf vorstellt. Ich würde nicht sagen, daß wir versuchen, virtuos zu spielen. Es ist gut, wenn man gerade so gut spielen kann, so daß man seinen Vorstellungen Ausdruck verleihen kann."
Clark: "Was ich an populärer Musik mag ist, daß Du keine Regeln brauchst." Nieswandt: "Das Live-Spiel ist auch nur ein Schritt in einer kompletten Produktion. Du sampelst das dann vielleicht, streckst es in die Länge."

Hans nimmt das, was einmal ein Joint werden sollte und nun aussieht wie eine vergewaltigte Zahnbürste.
Das Anzünden klappt erst beim dritten Mal. Ein tiefer Zug, dann wandert das Elend in kruckeligem Filterpapier in silberlackierte Hände.

Clark: "Die Elektronik ist für uns nicht mehr als eine Gitarre oder ein Bass. Es gibt ja Leute, die sich ihre Computer angucken und denken, die seien die Welt. Elektronik ist nur ein Werkzeug. Manche Sachen, die jetzt veröffentlicht werden, sind nichts anderes als dasselbe, das vor 15 Jahren veröffentlicht wurde, nur eben elektronisch."
Was bedeutet "house" für Euch? Ein grobes Strickmuster, an das man sich hält oder eher das Rohmaterial "Wolle", aus dem man noch nicht mal etwas stricken muß?
Nieswandt: "Für mich selbst kann ich nur sagen, daß "house" zu einer privaten Obsession geworden ist."
Clark: "Die einzige Analogie, die ich dazu habe, ist ein Haus. Jedes Haus sieht anders aus. Und das ist alles, was es sein kann. In dem Begriff ist soviel mit eingeschlossen, so viele Definitionen haben sich vermischt. Du bist frei, Dein eigenes Haus zu gestalten. Aber kannst auch gerne meines betreten."
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Nieswandt: "House ist ja heute auch eine sehr alte Musik. Manchmal erinnert mich der Begriff an Punk aus den Achtzigern...House ist Teil der Globalisierung geworden. Die Globalisierung als solches muß man natürlich in Frage stellen, aber stoppen kann man sie nicht mehr. House ist dabei eigentlich die nettere Form, eine wichtige ausbalancierende Form der Globalisierung."
Clark: Es ist wie ein Code. Ein universeller "Easy-Access-Code".

Eure Musik klingt sehr fragmentarisch. Viele kleine Stücke, die man zusammenrührt, ist das Eure Vorgehensweise?
Nieswandt: "Ich glaube, jeder Song bekommt die Behandlung, die er verdient. Man fängt mit einem Element an, das aus den verschiedensten Quellen kommen kann. Aber einige Stücke öffnen sich leichter und andere schwerer. Manche hecheln wir schnell durch wie einen Quickie und an manchen sitzen wir Nächte. Und dann hat das Stück plötzlich sein Aussehen gewechselt, obwohl die Basiselemente noch da sind. Aber es gibt da kein übergeordnetes Prinzip..."
Clark: "Ja, wir hatten dieses ganze Zeug...und wieder: es war, wie einen Film zu drehen. Man sammelt Sachen und dann erst macht man zum Beispiel ein Feature daraus. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das Album auf die Leute wirkt. Manche meinen bestimmt, es sei Indie, wieder andere, es sei ein Major-Produkt. Aber wir machen unser Ding sowieso, wie wir wollen. Wenn da irgendwelche Türen sind, dann gehen wir durch sie durch."
Nieswandt: "Und sei es nur aus Neugier. Die ist für uns als Antrieb sehr wichtig. Es ist immer besser, Sachen auszuprobieren, als einfach zu Hause zu bleiben..."

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nikki

??? - Samples : ( real audio)


 

Crazy Music
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